Zustimmungswahl und Paarweiser Vergleich – eine mögliche Ergänzung

In einem Kommentar zum Benutzerleitfaden für den Paarweisen Vergleich merkte ein Leser an, dass der Paarweise Vergleich bei einer großen Kandidatenzahl doch recht aufwendig werde und fragte, was ich vom Approval Voting (Zustimmungswahl) halte.

Zustimmungswahl

Bei der Zustimmungswahl hat der Wähler so viele Stimmen wie Kandidaten zur Wahl stehen. Er kann jeden Kandidaten ankreuzen, den er unterstützenswert findet.

Gewonnen hat der Kandidat mit den meisten Stimmen.

Vorzüge

Eine positive Eigenschaft dieses Verfahrens ist, dass der Wähler immer für seinen aufrichtig bevorzugten Kandidaten stimmen kann und der Antritt weiterer Kandidaten nicht zur Spaltung von Stimmenpotentialen anderer Kandidaten führt, weil jeder Kandidat einzeln bewertet wird.

Ähnlich wie beim Paarweisen Vergleich haben Kandidaten, in der Mitte des inhaltlichen Spektrums bessere Chancen als „radikale“ Kandidaten an den Enden des Spektrums, weil die Kandidaten in der Mitte wahrscheinlich mehreren Leuten akzeptabel erscheinen; sie haben gute Chancen, Stimmen von Anhängern der einen Seite des Spektrums und auch der anderen Seite zu bekommen.

Zudem ist das Verfahren sehr einfach, was dessen Akzeptanz erhöht.

Kritikpunkte

Der Wähler kann zu wenig zwischen verschiedenen Kandidaten differenzieren – es gibt nur Zustimmung oder Nicht-Zustimmung, nichts dazwischen. Beim Paarweisen Vergleich kann man hingegen eine Rangfolge angeben, aber auch Kandidaten als gleichrangig einstufen.

Es ist möglich, dass ein Kandidat, der von der absoluten Mehrheit der Wähler als der beste erachtet wird, nicht gewinnt, weil ein anderer Kandidat eine größere Zustimmung erfährt. Denn Bei der Auszählung werden alle Zustimmungen gleich behandelt, ganz gleich, ob es sich nun um eine Erstpräferenz oder eine Drittpräferenz handelt.

Während es immer sinnvoll ist, für den Kandidaten zu stimmen, den man am besten findet, kann es bei Wahlen mit vier oder mehr Kandidaten sinnvoll sein, einem Kandidaten, den man eigentlich akzeptabel findet, nicht zuzustimmen, weil dieser Kandidat ein starker Konkurrent gegenüber der eigenen Erstpräferenz ist und man dann dazu beitragen würde, dass statt der eigenen Erstpräferenz ein Kandidat gewinnt, den man schlechter findet.

Sinnvolle Kombination

Denkbar wäre aber, bei Wahlen mit sehr vielen Kandidaten Zustimmungswahl und Paarweisen Vergleich in folgender Weise zu kombinieren: Im ersten Wahlgang wird wie bei einer Zustimmungswahl gewählt. Allerdings dient dieser Wahlgang noch nicht zur Bestimmung des Gewinners, sondern nur zur Eingrenzung des Kandidatenfelds. Im zweiten Wahlgang treten dann z.B. die fünf erfolgreichsten Kandidaten des ersten Wahlgangs gegeneinander an, aber nun nach dem Verfahren des Paarweisen Vergleichs.

Auch wenn im ersten Wahlgang ähnlich einer Zustimmungswahl gewählt wird, muss der Wähler kaum noch fürchten, dass er durch Zustimmung zu seiner Zweitpräferenz dazu beiträgt, dass letztlich die Zweitpräferenz statt seiner Erstpräferenz gewinnt.

Da sowohl bei der Zustimmungswahl als auch beim Paarweisen Vergleich Kandidaten mit gemäßigten Positionen im Vorteil sind, ist es ist recht unwahrscheinlich, dass ein Kandidat, der den Paarweisen Vergleich gewonnen hätte, es nicht unter die fünf Kandidaten mit der größten Zustimmung schafft.

Da der Paarweise Vergleich nun zwischen einer überschaubaren Zahl an Kandidaten stattfindet, kann sich der Wähler intensiver mit den verbleibenden Kandidaten befassen. Dies ist z.B. auch für den Fall hilfreich, dass ein zunächst von einigen Wählern unterschätzter und deshalb wenig beachteter Kandidat unter die besten fünf kommt. Wähler, die bislang keine Veranlassung sahen, sich mit dem Außenseiter zu befassen, können dies nun tun. Kritiker dieses Kandidaten, die bislang auf das Scheitern dieses Kandidaten setzten, können nun aktiv werden, was andernfalls nicht nötig gewesen wäre.

Dies gilt insbesondere auch bei Sachfragen, wo man sich nun mit den verbliebenen Kandidaten genauer befassen kann und nicht mehr Schwachstellen ohnehin aussichtsloser Vorschläge herausarbeiten muss.

Anknüpfung an bestehenden Vorschlag

Mein Vorschlag für Regeln für Wahl- und Abstimmungsverfahren sieht in bestimmten Situationen bereits ein vergleichbares Vorgehen vor. Dort heißt es:

3. Sachabstimmungen mit einem Gewinner mit Status quo, d.h. Sachabstimmungen, bei denen genau ein Vorschlag angenommen werden soll, aber auch die Möglichkeit besteht, den Status quo beizubehalten: […]

(b) Stehen zwei oder mehr Vorschläge zur Abstimmung, so können die Abstimmenden bei jedem dieser Vorschläge unabhängig von einander entweder mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ stimmen. Hat nur einer der Vorschläge mehr Ja- als Nein-Stimmen erhalten, so ist dieser Vorschlag angenommen. Haben zwei Vorschläge mehr Ja- als Nein-Stimmen erhalten, so findet ein zweiter Abstimmungsgang in Form einer Stichabstimmung zwischen diesen beiden Vorschlägen statt (siehe Abs. 2 a). Haben drei oder mehr Vorschläge mehr Ja- als Nein-Stimmen erhalten, so findet in einem zweiten Abstimmungsgang ein Paarweiser Vergleich zwischen diesen Vorschlägen statt (siehe Anlage). Hat keiner der Vorschläge mehr Ja- als Nein-Stimmen, so sind alle Vorschläge abgelehnt und es gilt weiter der Status quo.

4 Kommentare »

  1. Anonymous said

    Es besteht bei diesem 2-Stufensystem 2 Probleme:

    Turkey-Raising: Ich unterstütze im ersten Durchgang absichtlich Kandidaten, denen ich schlechte Chancen einräume, damit ein anderer Kandidat wenig Konkurrenz hat. Das Problem halte ich für gering, da bei der erfolgreichen Anwendung der Strategie die im 1. Gang gepushten Kandidaten wohl schon eine gewisse Bekanntheit haben sollten, damit das aufgeht. Dementsprechend kann die Taktik auch nach hinten losgehen.

    Kandidaten-Spamming: Eine Strömung stellt so viele Kandidaten rein wie in die 2. Runde kommen sollen und alle Wähler innerhalb der Strömung unterstützen die. In der 2. Runde gibt es dann kaum Abwechslung. Das Problem halte ich für groß. Man könnte dem mit einer semi-proportionalen Methode abhelfen, aber dann hat man Arbeit an der Backe, die man sich ja ursprünglich mit der 2-Stufen-„Lösung“ sparen wollte.

  2. Elsa said

    ich finde das alles irgendwie viel zu kompliziert. Warum erschwert ihr uns ewig das Leben??? Wenn ein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen hat, dann ist er der Gewinner. Punk, aus! Es ist nicht gerecht, wenn er dann irgendwie durch irgendein ausgeklügeltes und unüberschaubares Wahlsystem verliert!

    • @Elsa,
      Wenn ein Kandidat die absolute Mehrheit der Erstpräferenzen hat, kann er beim Paarweisen Vergleich nicht verlieren, sondern wird immer gewinnen, da er gegen jeden anderen Kandidaten gewinnt.

  3. The pairwise comparison will probably make your results WORSE not BETTER. See these Bayesian regret figures for a comparison of the performance of various methods, including Score Voting and Approval Voting („Consent Voting“).

    ScoreVoting.net/BayRegsFig.html

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